Schmerz lass nach – Umgang mit Schmerz
Beim diesjährigen Treffen in Lützensommern durften die Teilnehmer gespannt dem Vortrag zum Thema „Schmerz“ von Dipl. Psych. G. Stollorz folgen, wobei Vortrag wohl nicht das richtige Wort ist. Durch das große Interesse der Teilnehmer und die offene Gestaltung der Ausführungen von Frau Stollorz entwickelte sich schnell eine interaktive Diskussion ergänzt mit interessanten Fakten und Informationen durch Frau Stollorz.
Einleitend wurde erneut deutlich, dass das Thema „Schmerz“ fast jeden, von Phosphatdiabetes Betroffenen, begleitet. Vor allem mit fortschreitendem Alter spielen oft auch chronische Schmerzen eine große Rolle. Die Unterscheidung zwischen chronischen und akuten Schmerzen ist besonders wichtig um entsprechend damit umgehen zu können.
Schmerzen werden als chronisch bezeichnet, wenn sie seit mindestens 3 Monaten fast immer vorhanden sind oder häufig wiederkehren. Manchmal lässt sich die Ursache für die Schmerzen dann nicht ausfindig machen. Chronische Schmerzen haben oft keine physiologische Funktion, sondern sind vom Körper erlernt (vergleichbar mit einem Trampelpfad im Feld, weil dort oft jemand hergegangen ist – wird er weiter genutzt).
Hier gilt es eine Form des Ignorierens zu erlernen.
Anders verhält es sich mit akuten Schmerzen. Sie sind ein Warnsignal des Körpers und weisen uns darauf hin, dass etwas nicht in Ordnung ist und wir handeln müssen.
Daher sollte die Ursache der Schmerzen immer abgeklärt werden.
Es gilt also: Schmerzen verstehen, mitteilen und Strategien zur Entlastung entwickeln, um aus dem „Teufelskreis Schmerz“ auszubrechen.
Vor allem die chronischen Schmerzen sind für viele Betroffene eine große Belastung, sowohl was die Gestaltung des Alltags angeht, als auch die empfundene Lebensqualität.
Aber direkt zu Anfang etwas Positives: Herausforderungen kann man angehen!
Ein Ansatz in der Psychologie zum Umgang mit Schmerz ist, dass Körper, Gedanken, Gefühle und Verhalten unmittelbar aufeinander einwirken. Dies beeinflusst auch das Schmerzempfinden.
Viele Teilnehmer beschrieben hier zum Beispiel das Phänomen, dass wenn es ihnen schlecht geht, die Schmerzen intensiver wahrgenommen werden. Aber genau an dieser Stelle kann man ansetzen, um das Schmerzempfinden zu beeinflussen.
Hier kann man sich sinnbildlich einen Pförtner vorstellen: Der Schmerz entsteht z.B. im Knie, von dort muss er über Nervenbahnen geleitet werden und erst wenn der Pförtner an unserem Gehirn ihn durchlässt, nehmen wir den Schmerz auch als Schmerz wahr. Dieser Pförtner kann durch viele Dinge beeinflusst werden. Unsere Psyche, beziehungsweise auch unsere aktuelle Grundstimmung bestimmen zum Beispiel wie weit der Pförtner die Tür für den Schmerz aufmacht. Ist die Tür weit auf, empfinden wir den Schmerz viel intensiver und allumfassender, als wenn die Tür nur einen Spalt auf ist. Ist unsere Grundstimmung also beispielsweise gut, so drückt sie die Tür weiter zu und der Pförtner hat keine Chance den Schmerz ganz rein zu lassen.
Schmerzen werden verstärkt, durch: | Schmerzen werden vermindert, durch: |
Angst | Freude |
Einsamkeit | Soziale Kontakte |
Unsicherheit | Vorhersehbarkeit |
Angespannte Atmosphäre | Entspannte Atmosphäre |
Trauer | Anteilnahme |
Misstrauen | Verständnis |
Verzweiflung | Zuwendung |
Hoffnungslosigkeit | Hoffnung |
Sorgen | Heiterkeit |
Negatives Lebensgefühl | Positives Lebensgefühl |
Schlaflosigkeit |
Auch die gelenkte Aufmerksamkeit kann hier unter Umständen hilfreich sein. Liege ich im Bett und bemerke den Schmerz und fühle dann genau in ihn hinein, so geht die Tür auf und der Pförtner lässt den Schmerz durch – an Schlaf ist dann nicht mehr zu denken. Lenke ich meine Aufmerksamkeit z.B. auf den Atem, ist der Pförtner damit beschäftigt diese Informationen durch die Tür zu schleusen, der Schmerz passt nicht mehr im vollen Ausmaß durch.
Eine schöne Übung zur gelenkten Aufmerksamkeit ist die Imagination. Bei der Imagination geht es darum, dass man sich Dinge genau imaginiert, also vorstellt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass etwas, was ich mir intensiv vorstelle, die gleichen körperlichen Auswirkungen hat, wie etwas was wirklich geschieht. Das kann man folgendermaßen ausprobieren:
Schließen Sie die Augen. Stellen Sie sich vor, dass in Ihrer rechten Hand eine Zitronenhälfte liegt. Stellen Sie sich diese sehr genau vor. Die Farbe des Gelbs, das Gewicht, die Struktur der Oberfläche. Und nun stellen Sie sich vor, dass Sie in die Zitrone reinbeißen. Beobachten Sie dabei Ihre körperliche Reaktion.
Ein weiteres Problem was viele Betroffene kennen, ist, dass man an „guten“ Tagen möglichst viel schaffen möchte und sich schnell übernimmt. Die Folge: Ein „schlechter Tag“.
Frau Stollorz rät den Teilnehmern, dass sie regelmäßig etwa gleich viel tun. Sich also an „guten Tagen“ zu bremsen und auch an „schlechten Tagen“ etwas aufzuraffen – Dadurch sollen die „schlechten Tage“ automatisch weniger werden. Und vor allem:
Pausen einlegen, bevor man das Gefühl hat diese zu brauchen!
Weiter gab Frau Stollorz den Teilnehmern einen Werkzeugkoffer mit auf den Weg, den sich jeder individuell packen kann, um mit seinen Schmerzen umzugehen.
In den Koffer gehört:
1. Akzeptanz:
Den Schmerz zu akzeptieren bedeutet nicht, ihn zu tolerieren oder gut zu heißen. Sondern zu bemerken dass er da ist, ihn als Teil des Lebens zu sehen und zu erkennen, dass man hier die Kontrolle übernehmen kann.
2. Eigeninitiative:
Aktiv sein, die Kenntnisse über Schmerz nutzen und aktiv in den Teufelskreis „Schmerz“ eingreifen. Wieder das Steuer übernehmen und nicht den Schmerz bestimmen lassen.
3. Richtiges Tempo:
Ressourcen und Kräfte richtig einteilen. Nicht an guten Tagen alles machen und an schlechten Tagen gar nichts. Hier könnte eine feste Struktur hilfreich sein.
Wichtig: Pausen sollten immer schon eingelegt werden, bevor man das Gefühl hat sie zu brauchen!
4. Prioritäten:
Ebenso wie das Tempo, müssen auch die Prioritäten sinnvoll gesetzt werden! Lebensqualität kommt nicht im-mer davon, dass man das schafft, was Andere erwarten. Was erwarte ich? Was möchte ich eigentlich?
5. Ziele und Aktionspläne:
Knüpft an richtiges Tempo an. Ist man sich seiner Ziele bewusst, ist es einfacher einen Aktionsplan zu erstellen und sich dementsprechend zu strukturieren. Struktur hilft dabei, sich weder zu viel, noch zu wenig zu zu muten.
6. Geduld:
Mit sich selber geduldig sein, Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Ungeduld führt oft zu Unzufriedenheit und somit zur Verstärkung des Schmerzes.
7. Entspannung:
Regelmäßig Entspannungstechniken nutzen (PMR, Tai-Chi, Autogenes Training, Yoga, Chi-Gong, Imagination…). Entspannung kann helfen, Schmerz direkt, oder indirekt (durch Ansatz an der Psyche) zu beeinflussen.
8. Bewegung:
Meiden von Schonhaltung und somit das Herabsetzen der Muskelmasse. Das Training sollte ausgewogen und der Belastbarkeit angepasst sein.
9. Tagebuch:
Führen eines Schmerztagebuchs um „den Feind“ kennen zu lernen. Wann treten die Schmerzen auf? Wie stark sind sie? Welche Gegenmaßnahmen habe ich genutzt und welche haben wie gut geholfen?
10. Plan B:
Sich einen Plan B zurecht legen. Immer.
Der Vortrag von Frau Stollorz fand seinen Ausklang schließlich durch einen ausgiebigen und interessanten, persönlichen Austausch der Teilnehmer.