Bericht zum 4. Symposium zum Rare Disease Day 2019
eva luise und horst köhler stiftung für Menschen mit seltenen Erkrankungen
Auch dieses Jahr waren wieder zwei, diesmal in Berlin ansässige Mitglieder, im Namen des Vereins beim Symposium der „eva luise und horst köhler stiftung für Menschen mit seltenen Erkrankungen“.
In Vorbereitung darauf bedurfte es einer intensiven Einarbeitung in bestimmte Themenfelder, wie zum Beispiel „NAMSE“ (Nationales Aktionsbündnis für seltene Erkrankungen) oder „ERNs“ (Europäische Referenznetzwerke), da diverse Programmpunkte sehr komplex erschienen.
Das diesjährige Symposium fand in den Räumlichkeiten der Firma Storz statt. Es begann mit einem kleinen Mittagsimbiss. Anschließend eröffnete Frau Köhler das Symposium mit einigen Dankesworten und wies auf die Wichtigkeit der NAMSE hin. Aufgrund der noch nicht eindeutig geklärten Finanzierung bestehe die Gefahr, dass dieses Projekt aufgegeben werden könnte.
Danach wurden die Teilnehmer durch die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, begrüßt und auf einige organisatorische Abläufe der Veranstaltung hingewiesen.
Prof. Dr. Heiko Krude vom Zentrum für seltene Erkrankungen der Charité in Berlin hielt im Anschluss seinen Vortrag zur Zentrenstruktur in Deutschland und dem Thema „TRANSLATE NAMSE“. Das Projekt wird aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert.
Er wies grundsätzlich auf die Notwendigkeit von Vernetzungen hin, was natürlich auch die Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen mit einschließt.
Die Zentren haben einen Leistungskomplex für ungeklärte Fälle beschlossen:
- Strukturierter Ablaufplan für adäquate Betreuung der Patienten, welcher in Fallkonferenzen diskutiert wird.
- Spezialdiagnostik; Zeitfaktor, welche Mitarbeiter sich mit diesen Fällen beschäftigen.
- Viele Patienten mit unklarer Diagnose haben keine seltene Erkrankung. Hierfür ist gegebenenfalls eine psychosomatische Beratung erforderlich.
- Bei seltenen Erkrankungen ist die Gen-Diagnostik wichtig. Dafür ist eine hohe Expertise erforderlich. Sequenzierung des ganzen Genoms (ca. 25.000 Gene werden untersucht/ Exom-Sequenzierung), Klärung der Finanzierung → Anträge werden über Zentren an die Krankenkassen gemonitored/ Verhandlung mit Krankenkassen über Finanzierung.
- ERN gibt es auf B-Ebene, Vernetzung zu anderen B-Zentren (Europäisierung der B-Zentren).
- Finanzierung der Post Projekt Phase (A= Zentrumszuschlag G-BA, B= HSA Pauschalen mit der Krankenkasse – SE).
- Weiterhin beschäftigt sich ein Projekt zur Codierung der SE (Vereinheitlichung der Orphanet-Codes im Krankenhausinformationssystem).
- Patientenregister sollen geführt werden; Finanzierung unklar (zurzeit beteiligt sind Fachgesellschaften und Eigeninitiativen der Ärzte).
Den zweiten Vortrag hielt Fr. Annick Raas-Rothschild aus Israel zum Thema „The Israel Experience: Institute for Rare Diseases at Sheba-Tel Hashomer Medical Centre“.
Sie knüpfte direkt an Ihren Vorredner Herrn Prof. Dr. Krude an und wies nochmals auf die Wichtigkeit von Wissens- und Informationsteilung, vor allem in Bezug auf seltene Erkrankungen, hin. Eine falsche Diagnose könne genauso fatal sein, wie keine Diagnose. Sie hob auch hervor, dass das Expertenwissen zur Gen-Sequenzierung wichtig sei. Heutzutage könne man eine Exom-Sequenzierung vornehmen. Das Problem bestehe jedoch nicht darin Abweichungen zu erkennen, sondern diese zu deuten. Sie schilderte eindrücklich einen Fall, bei welchem ein Gendefekt erkannt, aber nicht gedeutet werden konnte. Die Familie startete daraufhin einen Aufruf über die sozialen Netzwerke. Und tatsächlich: Aus Nordamerika meldete sich jemand, der sich zu diesem Krankheitsbild äußern konnte.
Nach einer Kaffeepause berichtete Prof. Dr. Franz Schäfer aus Heidelberg über die Entwicklung der ERNs. Es gibt derzeit 24 ERNs und Deutschland ist mit 125 ERN-Zentren in allen ERNs vertreten. Bei dem Symposium stellte er insbesondere das ERKNet (European Rare Kidney Diseases Reference Network) vor.
Das ERKNet hat sich zunächst in diverse Arbeitsgruppen mit Beratern und Spezialisten zusammengefunden und sich verschiedener Arbeitsschritte angenommen.
- Praxis-Leitlinien evaluiert, verbindliche Anwendung und Erarbeitung neuer Leitlinien.
- Wo fehlen Leitlinien? Bildung von Workshops mit Forschungsfragen zu acht Themenkreisen formuliert; Finanzierung aus EU-Geldern.
- Online Arzt- / Patienteninformationen: Welche Dokumente und Links gibt es und welche fehlen? Beginn mit der Entwicklung von neuen Dokumenten und Übersetzung in andere Sprachen.
- Patientenverläufe wurden von Patienten selbst erstellt (Kidney Patient Journeys).
- Weiterbildung/ CME Courses Webinar Curriculum (05.02.2019 Dr. Haffner zu XLH); Fallbasiertes eLearning und Austauschaufenthalte ERKNet-Zentren.
- CPMS Expertenberatung, eConsulting Plattform zum Wissensaustausch, Videokonferenzen, Bildtransfers in hoher Qualität, Fall im System hochladen.
- Fünf ERN-Patientenregister, Lokale Register sollen zu ERKNet Registern transferiert werden.
- Patient Satisfaction Survey (Online/Web/App based für Patientenzufriedenheit, Feedback und Lebensqualität).
- Online Datenbank für Studien und Projekte.
- ERP European Joint Programm.
- Clinical Trial (Wunschliste für klinische Studien).
- Große Schnittstellen zu anderen ERNs, diese können über das System eingeladen werden.
- Integration ins NAMSE bzw. TRANSLATE NAMSE.
Nach so vielen Vorträgen von Ärzten kam jetzt Frau Anke Widenmann-Groling vom Vorstand des KEKS e. V. Stuttgart zum Thema „Next Practice = Best Practice plus Patientenbeteiligung“ zu Wort. Der Verein KEKS e. V. arbeitet eng mit dem ERNICA zusammen.
Zum Schluss konnte noch Frau Hendrikje Schmidt, Psychologin am DRK Klinikum Berlin Westend in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik das Projekt und die Studie zum CARE-FAM-NET vorstellen. Es handelt sich hierbei um ein Projekt mit Studie für Familien mit Kindern und Jugendlichen, die an einer seltenen chronischen Krankheit leiden. Es geht um eine psychosoziale Versorgung der gesamten Familie. Das Projekt findet bundesweit in diversen Zentren statt. Beteiligt sind bisher nur bestimmte Krankenkassen. Die Familien erhalten eine ausführliche Diagnostik, diverse Interviews (gegebenenfalls auch als Hausbesuche möglich/ je circa eine Stunde) und im Anschluss einige Fragebögen zur Studie. Die Daten werden im jeweiligen Zentrum anonymisiert und dann zur Auswertung an das UKE in Hamburg geschickt. Die Zeitdauer des Projekts beträgt ca. 18 Monate.
Das Symposium war sehr umfangreich und interessant. Leider waren die Karten für die anschließende Verleihung des Forschungspreises der Stiftung und den Empfang bereits vergriffen, so dass wir, die Vertreter des Vereins, daran nicht mehr teilnehmen konnten. Trotzdem fuhren wir mit vielen neu gewonnen Eindrücken und Erkenntnissen nach Hause.
Herzliche Grüße
Zwei Vereinsmitglieder
Weiterführende Informationen:
Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (extern)
Flyer „Translate NAMSE“ (extern)
Europäische Referenznetzwerke (extern)
CAREFAMNET (extern)