Rückblick: Gruppentreffen 2016 in Lützensömmern
Bei Sonnenschein beginnt das diesjährige Familientreffen für uns mit einem gemeinsamen Abendessen auf der Terrasse des wunderschön gelegenen Ritterguts in Lützensömmern. Gespannt und etwas aufgeregt war ich während unserer Reise und ziemlich gewiss, dass wir in den nächsten Tagen viel Input erhalten.
Ankunft und erster Tag
Als wir ankommen, sitzen schon mehrere Vereinsmitglieder zusammen und im Laufe des Abends stoßen weitere Familien dazu. Schnell wird deutlich, dass hier mehrere Generationen von Kolibris, Spatzen und deren Spatzen und Kolibrikinder1 zusammen kommen. Viele kennen sich bereits, doch wir sind nicht die einzigen “Neuen”. Es herrscht eine fröhlichgespannte, gesprächige Atmosphäre. Gesättigt sammeln wir uns zur Kennenlern- und Vorstellungsrunde, bei der familienspezifische Erfahrungen, Empfindungen und eventuelle Schwierigkeiten mit und durch den Phosphatdiabetes im Mittelpunkt stehen. Viele Informationen und Erwartungen an das Wochenende werden ausgetauscht, Organisatorisches und der Ablauf der nächsten Tage besprochen. Und noch eins wird schnell deutlich und beruhigt mich: der Lebensumstand Phosphatdiabetes verbindet auf emotionaler und kognitiver Ebene. In dieser Runde von Menschen, die sich zum Teil völlig fremd sind, muss ich mich nicht erklären. Bis jetzt hatte ich nur einen betroffenen Erwachsenen kennen gelernt und gesprochen. Und bereits diese erste Runde zeigt, dass wir als Familie genau richtig sind in diesem Verein, bei diesem Treffen und bei diesen Menschen. Für mich als Mutter eines kleinen Kolibrikindes ist „erwachsenes Wissen und Fühlen“ äußerst wertvoll und hilfreich.
Bis in den späteren Abend werden Namensschilder und Zimmerschlüssel verteilt, Quartiere und Betten bezogen und in gemütlicher Runde der Tag beschlossen.
Workshop und Neuigkeiten aus der Forschung
Nach dem Frühstück geht es am Samstag mit einem Vortrag über die Psychologischen Aspekte der Schmerzbewältigung der Diplom-Psychologin Gudrun Stollorz los. Eingebunden in das Referat und auch in der Kaffeepause entwickeln sich rege Diskussionen und ein lebendiger Austausch an Erfahrungen und Meinungen zwischen den Teilnehmern. Die Kinder ab sechs Jahren werden währenddessen von einem Mitarbeiter des Rittergutes betreut, die Jüngeren erkunden gemeinsam mit Eltern das weitläufige Gelände und erfreuen sich an den dort lebenden Kaninchen und Lamas. Insbesondere der Pfau wird vergnügt bestaunt.
Vor der Mittagspause wird ein Gruppenfoto mit allen Familien und den Referenten gemacht. Es freut mich besonders, dass alle ein Geburtstagslied für unseren Sohn singen, und sogar ein Geschenk überreicht wird.
Am frühen Nachmittag treffen sich dann die älteren Kolibri- und Spatzenkinder zum Workshop „Umgang mit Mobbing und Hänseleien” mit Gudrun Stollorz, während die Erwachsenen von
Dr. J. O. Semler Neuigkeiten aus der Forschung und den Start einer Studie im Wirkzusammenhang von FGF23 in Deutschland erfahren. Nach einer weiteren Kaffeepause findet die Mitgliederversammlung statt, woran sich das Abendessen anschließt. Danach kommen die Kleinen bei Gute-Nacht-Geschichten und die Großen bei Entspannungsübungen etwas zur Ruhe.
Ein informativer, aber auch emotional aufwühlender Tag geht in gemütlich-vertrauter Atmosphäre am Lagerfeuer zu Ende. Es wird geduldig Stockbrot über dem Feuer bereitet und verbrannt, und der Abend verstreicht mit Spielen, Geschichten und Austausch in kleineren und größeren Gruppen. Jetzt ist auch die Zeit für längere und intensivere Gespräche und das Verarbeiten der Eindrücke des Tages.
Letzter Tag
Am Sonntag werden nach dem Frühstück alle Zimmer geräumt und die ersten Familien reisen im Laufe des Vormittags bereits ab. Studierende des Fachbereiches Sozialwesen an der Katholischen Hochschule NRW präsentieren die Ergebnisse ihrer ersten Studie „Lebensqualität Phosphatdiabetes” und stellen das neue Forschungsprojekt „Möglichkeiten der Selbsthilfearbeit und weitere Netzwerke” vor.
Das Mittagessen beschließt das diesjährige Treffen des Selbsthilfevereins Phosphatdiabetes e.V. Letzte Gepäckstücke werden verstaut, Verabschiedungen, Umarmungen, gute Wünsche und Dankesworte begleiten das Ende des Familienwochenendes 2016 in Lützensömmern.
Mein Eindruck des ersten Abends, dass wir genau richtig im Verein sind, hält sich bis heute. Als sehr angenehm empfinde ich den allgegenwärtig herzlichen und offenen Umgang miteinander. Es herrscht eine Atmosphäre aus empathischer Betroffenheit für das Gegenüber ohne zu dramatisieren und trotz aller Schwierigkeiten ist eine positive Lebenskraft spürbar. Die Inhalte der Vorträge und die reichhaltigen Informationen, die ich von Vätern, Müttern, Kindern, Betroffenen und Angehörigen bekommen habe, sind meines Erachtens unbezahlbar. Wo sonst ist so viel Profession und geballtes Wissen bedingungslos verfügbar? Das hilft enorm dabei, ein umfassenderes Verständnis für den Phosphatdiabetes zu entwickeln.
Sehr gut gelungen ist das gemischte Angebot hinsichtlich der Altersstufen. Für die Kinder steht ein separater Raum mit einer Menge Bastel- und Malmaterial zur Verfügung, den Älteren steht eine Betreuungsperson vom Rittergut zur Seite und durch den Workshop findet auch eine kindgerechte und -relevante, inhaltliche Auseinandersetzung statt. Ein weiteres Zeichen dafür, dass es sich tatsächlich um ein Familientreffen handelt.
Unsere erste Teilnahme hat mir Mut gemacht und wichtige Kontakte ermöglicht, die sowohl den Alltag als auch unsere Reise durch das Sozial- und Gesundheitswesen unterstützen. Die Heimfahrt stimmt mich dann doch etwas traurig, da die Zeit für mein Empfinden viel zu schnell vergangen ist. Gesprächsstoff und Neugier sind noch reichhaltig vorhanden und so bleibt vor allem das Gefühl von Dankbarkeit. Für eine schnelle Diagnose, für einen sehr guten Anfang und das dargebotene menschliche Engagement. Zum Gruppentreffen 2017 in Wilnsdorf
1 Der Ausdruck ist einem Vortrag des Wochenendes entnommen und greift die Herausforderungen der Diagnosestellung auf. Der Kolibri steht hier für den Menschen (mit Phosphatdiabetes/mit einer seltenen Krankheit), für den die ärztliche Benennung eigener Grenzen und folgerichtige Überweisung in fachkundige Hände von enormer Bedeutung ist. Für Diagnosestellungen bei Spatzen ist die Erreichbarkeit derart spezialisierten Fachwissens nicht notwendig.